Und nun das Wetter – Wie sich der Zugverkehr auf Witterungsextreme vorbereitet
„Der Wind kommt immer von vorn“, sagt man bei uns im Norden. Orkan Friederike fegte im Januar 2018 mit weit über 100 Stundenkilometern übers Land und hatte eine Vorliebe dafür, Bäume unsanft in Gleisbetten zu pusten. Mehr als ungemütlich waren in den letzten Jahren auch Frühjahrstürme wie der Orkan Mike oder das Pfingstunwetter Ela. Schneetreiben bekommt zwar meist keinen eigenen Vornamen, stellt den Zugverkehr aber vor kaum kleinere Probleme. Wetterlagen in Zeiten des Klimawandels sind nicht verlässlich. Welches Gerät bei schweren Wetterkapriolen zum Einsatz kommt, lassen wir uns bei der AKN in Kaltenkirchen zeigen. Wie sich die Deutsche Bahn auf Extremwetterlagen vorbereitet, erfahren wir von deren Experten Markus Schubert.
Herr Schubert, Sie sind „Referent für Fahrwegpflege Herbst & Winter“ bei der Deutschen Bahn, was bedeutet das?
Ich bin seit fünf Jahren für all das zuständig, was im Vorfeld getan werden muss, um den pünktlichen und verlässlichen Zugverkehr zu gewährleisten, wenn der Winter auf unseren Strecken einbricht – vor allem wenn der Schnee kommt. Ich bin dabei natürlich nicht allein. Wir sind ein Team aus Forstwirten, Geologen und von der Pike auf erfahrenen Bahnmitarbeitern, ich selbst gehöre zu den Ingenieuren unter uns. Wir planen sehr langfristig und bereiten uns jetzt schon auf die kommenden Winter vor, teilweise sogar bis hin zum Jahr 2021.
Rückblick: Wie bewerten Sie den Winter 2018/19?
Prinzipiell kann man eine Linie durch die Mitte Deutschlands ziehen. Während der Norden einen weitestgehend milden Winter mit wenigen Einschränkungen für den Zugverkehr erlebt hat, gab es im Süden alle Hände voll zu tun. Im Bayerischen Wald hatten wir teilweise Schneehöhen von knapp einem Meter. Daher haben wir Schneeräumkräfte und Technik möglichst schnell in den Süden geschickt. Disponiert wird der überregionale Einsatz der Räumtechnik von den sieben Betriebszentralen in Berlin, Duisburg, Frankfurt am Main, Hannover, Karlsruhe, Leipzig und München. Grundsätzlich sind wir natürlich immer froh zu sehen, wenn unsere Vorbereitungen greifen und unsere Technik den Herausforderungen gewachsen ist.
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Sturmerprobte Streckenwächter im Norden
Nach dem Gespräch mit Herrn Schubert möchten wir vor Ort einen genaueren Blick darauf werfen, wie die Wettervorbereitungen bei uns im Norden aussehen. Andreas Kuczat ist Eisenbahnbetriebsleiter für die Infrastruktur bei der AKN Eisenbahn GmbH und empfängt uns auf dem Betriebshof in Kaltenkirchen.
Es ist regnerisch und ungemütlich. Der Wind rüttelt an unseren Jacken. „Als Notfallmanager habe ich für heute eine Alarmierung ausgesprochen. Wir erwarten Windgeschwindigkeiten von bis zu 105 km/h, das ist Warnstufe 2 von 3“, kommentiert Herr Kuczat die aktuelle Wetterlage an diesem kalten Märztag, während wir uns gerade von einem der schweren Schneepflüge der AKN beeindrucken lassen, der vor deren letzte aktive Diesellok gespannt ist. „Gut, dass wir die beiden haben, aber sie kommen nur noch alle paar Jahre zum Einsatz. Wir setzen auf Prävention statt Aktion“, klopft Herr Kuczat auf den Stahl des Pfluges. Wie bei der Deutschen Bahn ist auch bei der AKN der Großteil der Weichen mit Heizungen ausgestattet, hier sind es sogar 90 %. „Im Vergleich zum großen Streckennetz der DB haben wir zudem den Vorteil, dass wir unsere Strecken in zeitlich kürzerer Taktung befahren, so kommt es kaum zu Schneeverwehungen, die die Züge zum Halten zwingen können.“ Herr Kuczat fügt grinsend hinzu: „Doch heute weht vor allem der Wind. Sprechen wir lieber darüber, am Besten bei einem Kaffee im Trockenen“.
„Bei Extremwetterlagen sitzen wir auf heißen Kohlen.“
Im obersten Stock des Verwaltungsgebäudes der AKN angekommen, erfahren wir mehr: Die Instandhaltungsteams für die Signale wie auch für den Gleisbereich sind an diesem Tag in Alarmbereitschaft – für den Fall, dass Bäume und Sträucher die Gleise blockieren oder Signale beschädigen. Zudem halten sich externe Dienstleister entlang der Strecken bereit. Sie rücken bei größeren Umsturzschäden mit schwerem Gerät aus, zum Beispiel dem sogenannten Zweiwegebagger.
„Bei Extremwetterlagen sitzen wir auf heißen Kohlen“, sagt Herr Kuczat, „auch wenn wir gut vorbereitet sind“. Elementar wichtig beim Thema Wind und Sturm sei der Vegetationsrückschnitt. Das bedeutet, dass die AKN die Strecken links und rechts neben den Gleisen kontrolliert, Richtung Gleisbett wuchernde Vegetation zurückschneidet und umsturzgefährdete Bäume stutzt. „Wir gehen überdies häufig auf Streckenanwohner zu, falls wir Gefahrenherde auf Privatgrundstücken ausmachen. In Waldabschnitten arbeiten wir eng mit den Staatsforsten zusammen, die ebenfalls sensibilisiert sind und uns im Rückschnitt unterstützen“, erklärt der Betriebsleiter.
In der Vegetationspflege geben die Naturschutzbehörden Beschnitt-Zeiträume vor. Zwischen dem 1. März und dem 30. September darf nur in Ausnahmefällen geschnitten werden – nämlich dann, wenn Gefahr in Verzug ist. „Gefahrenprävention hat bei uns höchste Priorität, um die Sicherheit auf den Strecken und im Zug zu gewährleisten“, sagt Herr Kuczat ernst. Sein Lächeln kehrt zurück, als er von seinem Traum erzählt, ein „Katasteramt der Bäume anzulegen“, um stets genauestens über Zahl und Zustand der Bäume an der Strecke informiert zu sein.
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